Elfter Rundbrief, in dem ich mich bei der Arbeit beobachte und mich zu fragen beginne, wer oder was hier eigentlich entwickelt werden soll – und in dem ich feststellen muss, dass es auf dem kenianischen Land keine Bibliotheken gibt.
Bald – was hier so viel heißt wie „in nicht all zu ferner Zukunft / so Gott will / lass uns die Hoffnung nicht verlieren“.
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Der Ablauf wird nicht wie in Deutschland üblich vor dem Beginn des Projektes geplant, sondern entwickelt sich im Laufe der Zeit aus sich heraus: Sobald ein Schritt getan wurde, wird der nächste geplant. Dabei geht es nicht rückwärts, wie ich zunächst oft befürchtet habe – aber es kommt schon einmal vor, dass ein kleiner Umweg in Kauf genommen werden muss. Eben diese Um- und Irrwege sind es, die den planungsverwöhnten und ergebnisorientierten Menschen aus der Fassung bringen können. Unter den sich ständig wechselnden Bedingungen und mit den scheinbar recht chaotischen Systemen, die einem hier alle Nase lang das Leben schwer machen können, scheint dieser Weg der kleinen Schritte jedoch die einzige richtige Planung zu sein.
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„Ziel ist es nicht, Dich zu benutzen, um ein paar Wasserquellen zu bearbeiten zu lassen, sondern Dich zu benutzen, die Leute es hier selbst machen zu lassen. Dabei übernimmst Du nur die Rolle des Katalysators, der nur die grobe Richtung und das Ziel angibt – sich aber ansonsten aus den Geschehnissen und den Entscheidungen so weit wie möglich heraushalten sollte…“
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Die Arbeit wird durch eine Reihe verschiedenster Meetings geprägt. Jeder Schritt wird in einem Meeting geplant und in einem weiteren Meeting diskutiert. Aus den Ergebnissen ergibt sich dann jeweils der nächste Schritt. (…) In der Regel geht es bei diesen Sitzungen sehr formell, aber auch zugleich sehr kenianisch zu – eröffnet durch ein opening prayer und Vorlage des Protokolls beginnen sie generell 30 bis 40 Minuten später als geplant.
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Bereits in den ersten Tagen musste ich lernen, wie schwierig es ist, hier an Informationen jeglicher Art zu gelangen. Nachrichten werden nicht weitergeleitet, wenn nicht nach ihnen gefragt wird und der Zugang zu Informationsmaterialien erwies sich als schwieriger als erwartet.
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Wäre es angesichts dieser Schwierigkeit des Informationstransfers nicht sinnvoll, Projekte zu errichten, die einfach nur Informationen und Erfahrungen verbreiten (evtl. verbunden mit Kleingewerbeförderung?). Die Einheimischen wissen oft selbst, was für sie das Beste ist – oder besser: was sie wirklich wollen. Was ihnen hingegen fehlt, sind Know How und Erfahrungen – also Informationen, die ihnen von einem „centre for grassroot development“ geboten werden könnten… Ein Platz, wo Ideen gesammelt und dann mit dem jeweiligen fachlichen Hintergrundwissen angepasst werden können – ein Platz, wo Entwicklungshelfer nur die Rolle der Informationslieferanten übernehmen, Fragen einbringen und die Dinge mit ihrem Hintergrundwissen anders sehen und diskutieren können – kurz: wo ein Entwicklungshelfer jemand sein kann, der die Dinge unter „einheimischer Verantwortung“ mitentwickelt – sei es nun eine Idee, ein Produkt oder sich selbst…
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„Du bist hier, um die Dinge anders zu sehen“ – „Es kann sein, dass Du fährst, ohne auch nur eine Quelle gefasst zu haben – und es kann sein, dass Du damit mehr erreichst, als Du Dir denken kannst…“
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