Dreizehnter Rundbrief, in dem ich „weiße Elefanten“ sehe, eine Fischfabrik in der Wüste besuche und in dem ein Kilogramm Margarine 100 DM kostet.

Im „journal of personality and social psychology“ wurden vor einiger Zeit folgende Gründe für das Scheitern von Planungen aufgeführt:
– die eigene Zeit für eine Handlung wird stets zu niedrig eingeschätzt
– bei Planungen werden fast nie Erfahrungen mit zuvor gescheiterten Zeitplanungen zu Rate gezogen, sondern immer nur ideale Szenarien ausgemalt
– gescheiterte Zeitvorstellungen werden oft besonderen Umständen zugeschoben, die bestimmt nicht noch einmal eintreten werden und daher auch nicht noch einmal einkalkuliert werden
– einzige Sicherung von Zeitplänen sind Stichtage, auch wenn die Hauptarbeit in kurzen Zeiträumen vor den Terminen erledigt wurden

Ich möchte dazu noch eine weitere These aufstellen, die zumindest in Kapsabet zuzutreffen scheint: Der Grund für das Scheitern von Plänen liegt nicht nur in der ihnen zugedachten Zeit, sondern auch in den Ideen, aus denen und den Vorstellungen, mit denen Pläne entwickelt werden. Ein Beispiel: (…)

Ziel jenes Programms war die Versorgung von über 100 Haushalten mit trinkbarem Wasser – frisch von der Quelle durch die Pumpe und Wasserspeicher ins Haus. Da dieses projekt zu einer Verbesserung des Lebensstandards von über 500 Menschen beitragen sollte, wurde es bereitwillig aus Übersee unterstützt (finanziert). Nach Planung, Konstruktion, Einweihung und dem ersten Monat wurde den Nutznießern jedoch auf einmal klar, dass der Dieselmotor ohne Diesel nicht motort – und dass niemand Diesel kaufen wollte. Allein der District Commissioner und ein weiterer regierungsbeschäftigter kümmerten sich um den Kraftstoff, weiterten sich jedoch, die Kosten für die gesamte Anwohnerschaft zu übernehmen – und klemmten die übrigen Haushalte kurzerhand von der Wasserversorgung ab. Resultat: zwei Haushalte , die mit fließendem Wasser versorgt werden und eine Dorfgemeinschaft, deren Frauen nach wie vor mit Kanistern zu den weit entfernten Wasserquellen laufen müssen. Wahrscheinlich wird das Projekt seit der Einweihung als „erfolgreich abgeschlossen“ in den Büchern der Hilfsorganisationen geführt – oder seit der letzten Evaluation als „Projekt fehlgeschlagen“ bewertet…

Traurig finde ich in diesem Zusammenhang, dass dieses Projekt fast direkt neben dem neu geplanten Vorhaben liegt. Da die Nutznießer die Bewohner des Nachbardorfes nicht beteiligen wollten und ihnen das Wasser verweigerten, planen diese nun ihr eigenes Projekt. Nur von diesem Hintergrund wird wahrscheinlich leider nie jemand etwas erfahren…

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Ein anderer „white elephant“: Am Rande des Lake Turkana wurde mit Unterstützung einer norwegischen Hilfsorganisation eine Fischfabrik gebaut, um den Einheimischen eine Einkommensquelle zu geben. Da jedoch die Stromleitungen ca. 200 bis 300 Kilometer südlich enden und die Leitungen auch Jahre nach Fertigstellung der Fabrik noch nicht weitergebaut wurden, ruhen die Maschinen nach wie vor in der Wüste. Außerdem wurde nicht berücksichtigt, dass der See mit den flachen Ufern seit Jahren langsam austrocknet. Inzwischen ist die Uferlinie etwa drei Kilometer gewandert, so dass wir es mit einer Fischfabrik mitten in der Wüste zu tun haben. Doch die Einheimischen wissen sich zu helfen und haben der Ruine mit den Wellblechdächern eine neue Funktion gegeben: auf den sich in der Sonne erbarmungslos aufheizenden Wellblechdächern werden heute Fische getrocknet – mitten in der Wüste….

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Auf dem Markt in Kapsabet zahle ich für fünfzehn kleine Bananen (die hier auch richtig nach Banane schmecken) 10/=, für eine Ananas 20/= – nicht einmal 30 bzw. 60 Pfennige… – geht man von einem Durchschnittseinkommen eines kenianischen Arbeiters von 2.000/= aus (reale Zahlen – nicht die von der Regierung veröffentlichten) und betrachten noch einmal die Ananas, dann ist dies bereits 1% des Monatsgehalts! Noch verständlicher wird es, wenn man die Zahlen nach Deutschland mitnimmt und von einem Gehalt von 2.000 DM ausgeht. So würde die Ananas hier auf einmal 20 DM kosten und ein Laib Brot 15 DM – genau so viel, wie 0,3 l Cola. Ein Kilo Margarine wäre für 100 DM zu haben und ein Liter H-Milch für 20 DM.

Und jetzt wenden wir unseren Blick dem „Helfer“ zu, der neben der schier unbezahlbaren Butter nicht nur ein Glas Erdnussbutter für 80 DM auf dem Tisch stehen hat, sondern auch diverse Gläser mit Marmelade für 150 DM und der monatlich Briefe mit Briefmarken im Wert von 400 bis 600 DM versendet…

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Wer durch Kapsabet schlendert, der wird die vielen Bauruinen nicht übersehen können. Das CITC selbst ist von zwei Projekten eingerahmt: eine kleine Siedlung, die für die Unterbringung von Polizisten geplant war und die offiziell fertig gestellt wurde, in der jedoch nur Mäuse und Spinnen leben. Die Gelder, die in dieses Projekt geflossen sind, bleiben in diesem Stadium hängen: gebraucht, blockiert und nutzlos… Auf der anderen Seite zwei mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser. Die Fundamente wurden parallel gegossen, die Gerüste simultan hochgezogen und die Konstruktion beider Gebäude gleichzeitig abgebrochen, als das Geld alle war… Nun strecken zwei weitere Betonskelette ihre Bewehrungsstähle in die Luft, fallen langsam zusammen und dienen der umliegenden Bevölkerung als Materiallager. Die Askari (angeheuerte Wächter) beschäftigen sich derzeit mit dem Verkauf aller Dinge, die nicht niet- und nagelfest sind…

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