Radfahren, Sinnfragen und Globalisierung

Um ehrlich zu sein… manchmal frage ich mich schon – ganz insgeheim natuerlich (!) – wie ich dazu komme, mich freiwillig in der Bluetezeit meines Lebens mit einem wunderbaren Mann an meiner Seite bei teils miesesten Bedingungen muehsam im Schneckentempo irgendwelche Andenhaenge hochzukaempfen… und dabei vor allem damit beschaeftigt zu sein, nicht in den Graben zu fahren (was aufgrund der faustgrossen Steine, die auf den Strassen liegen und durch die man immer wieder vom rechten Weg abgelenkt wird, wirklich nicht ganz einfach ist).
Ja – solche Fragen kommen mir tatsaechlich ab und an in den Sinn…
Doch das Schoene ist, dass ich immer wieder eine Antwort auf diese selbstgestellten Fragen erhalte. Meist ist die Antwort in den Begegnungen mit den Menschen, die wir auf unserer ungewoehnlichen Reise treffen, enthalten. Natuerlich wuerden wir auch schoene Begegnungen mit Menschen machen, wenn wir komfortabel mit dem Bus reisen wuerden, und in schoenen Hostels unterkommen wuerden – doch ich denke, dass wir beispielsweise folgende Begegnung auf diesem Weg nicht gemacht haetten:

Begegnungen Um ca. sechs Uhr abends kamen wir in Narupa, einem kleinen, sehr einfachen Dorf am Urwald, an. Endlich erreichten wir wieder einmal einen Ort, der nicht nur aus zwei bis drei Hauesern bestand. Unser Wasser war schon seit laengerem aufgebraucht und die Sonne geht in Ecuador immer schon um ca. halb sieben unter. Wir wollten also auch gerne einen Zeltplatz finden. Nach einer kurzen Besichtigung des Dorfes hatten wir das Schulgelaende ins Auge gefasst, denn dort gab es eine verlockende Rasenflaeche. Wir machten eine Lehrerin des Dorfes ausfindig, um die Erlaubnis fuer das Campieren zu erhalten. “Aber nein – wir braeuchten ja nicht im Zelt zu schlafen”, meinte die junge Frau zu mir, nachem ich ihr kurz mein Anliegen vorgetragen hatte, “wir haben noch einen ungenutzten Raum, wo ihr sehr gerne schlafen koennt!” Dieses grosszuegige Angebot nahmen wir gerne an; so wuerden wir uns nicht nur besser von dem naechtlichen Urwaldregen schuetzen koennen, sondern koennten vielleicht auch mit der Familie naeher in Kontakt kommen. Fuer die zahlreichen spielenden Kinder im Haus waren wir natuerlich sehr interessant… Es kommen ja nicht alle Tage voll beladene Fahrraeder mit zwei Gringos darauf ins Haus geschneit. Schon bald war unser ca. 6 qm. grosses Zimmer voll von neugierigen Kindern. Spaeter am Abend haben wir die nette Einladung der Lehrerin, doch noch zum plaudern rueber zu kommen, angenommen.
Von der sehr offenen Familie konnten wir viel von ihrem taeglichem Leben und ihren Lebensverhaeltnissen erfahren. All dies ist schwer wiederzugeben… Viele Gefuehle und Gedanken sind mir in diesen Stunden durch den Kopf gegangen… Dankbarkeit fuer die selbstverstaendliche Gastfreundschaft dieser einfachlebenden Familie, ein romantisches Gefuehl des Einssein mit der Welt, durch die erlebte Naehe und Verbundenheit zu diesen doch eigentlich so anderen und fremden Menschen, eine tiefe Gewissheit darueber, dass es fuer mich im Moment nichts sinnvolleres und “bereicherndes” geben kann, als mit Ben Seite an Seite diese Art der Reise (!) zu machen und eine Verwunderung ueber die fortgeschrittene Globalisierung: ich hatte mich in meiner Zeit in San Pedro ja schon daran gewoehnt, dass es sich wohl nicht ausschliesst, dass Menschen, die kaum Geld haben, um sich etwas zum Anziehen zu kaufen, trotzdem in fast allen Faellen einen grossen Fernseher und ein Handy besitzen. So war es auch in der Familie in Narupa. Doch war ich sehr erstaunt darueber festzustellen, dass wir mit unseren zweisprachigen Gastgebern die selben Lieder singen konnten… sie auf der Indiosprache “Quechua” und wir auf Deutsch. Ja, es war schon etwas absurd – und damit irgendwie zu dieser Welt passend, dass wir am anderen Ende eben dieser Welt auf Menschen treffen, die mit uns im Kanon “Jingel Bells”, “Bruder Jakob” und “Stille Nacht” singen koennen, und sich gleichzeitig vermutlich nie soweit von ihrem Haus entfernt haben, wie wir an diesem Tag geradelt sind.

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1 Kommentar

  1. H.D.

    H:D.Brix | h.d.brix@t-online.de | IP: 84.144.185.63

    Hallo Ihr Beiden.
    Wir haben jetzt Eure ersten Bilder gesehen. Es schlagen ach zwei Herzen ja in meiner Brust. Einerseits finde ich es ja alles ganz toll was Ihr beide da zusammen macht und ich würde sofort einspringen, wenn einer von Euch nicht mehr kann oder will, aber es ist auch ziemlich gefährlich, so dass man auch ständig Angst um Euch haben muß. Im deutschen Fernsehen wurde vor kurzem berichtet, dass Ecuador quasi im Regen und damit im Wasser versinkt. Das ist in dem Gebiet wo Ihr unterwegs seid nicht das Problem? Die Bilder von Regenwald und Landschaft sind ja fast so schön wie unsere Angeliter Landschaft, nur dass bei uns die Bauernhöfe schöner aussehen. Für die kommenden Etappen alles Gute und dass immer einer die Hand schützend über Euch hält
    wünscht H.D.