Vierter Rundbrief, in dem ich entdecke, dass man andere Menschen durch ihre Sprache versteht und dass es gar nicht meine Schuld ist, dass meine Hosen früher immer so viele Löcher hatten.
„Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen, Übelkeit, Erbrechen, weiche Stühle oder Durchfall, Bauchschmerzen, Appetitlosikeit, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schwächegefühl, Sehströrungen, Herzklopfen, langsame Schlagfolge des Herzens, unregelmäßiger Puls, Verstopfung, Haarausfall, Hautausschlag, Juckreiz, Nesselsucht, psychische Störungen (z.B. depressive Verstimmung, Verwirrtheit, Angstzustände, Halluzinationen, Bewußtseinsstörungen, paranoide Zustände), Krampfanfälle, vorrübergehender Anstieg von Enzymen, Abnahme oder Zunahme der weißen Blutkörperchen, Abnahme der Blutplättchen (…)“ – Ich frage mich, wie ein an Malaria erkrankter Mensch diese auf der Packungsbeilage beschriebenen Nebenwirkungen von Lariam auch noch überstehen soll…
Nun gut – ich habe eine doppelte Halfankur hinter mir und bin wieder auf den Beinen. Bei Halfan handelt es sich um ein lokal hergestelltes Medikament – weniger Nebenwirkungen, geringerer Preis…
Habe mich über mich selbst gewundert, als ich mich über die Kosten einer Malariabehandlung aufgeregt habe. Vier Arztbesuche, zwei Bluttests und zwei Packungen Halfan und ein paar Tabletten Paracetamol für insgesamt 60,- DM. Für deutsche Verhältnisse ist das fast nix, aber hier in Kenya…
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Seit vielen Jahrzehnten fragen die Briten sich gegenseitig „What’s the time“ – Eine philosophische Frage nach dem Wesen der Zeit? In Spanien wird dagegen mit „Que hora es?“ nach der aktuellen Stunde gefragt, während man in Deutschland mit „Wie spät ist es?“ den Anschein macht, der Zeit (oder sich selbst?) ständig hinterherzueilen – stets im Zustand des „zu-spät-dran-seins“, die Vergangenheit im Visier („wie alt bist Du?“). Bemerkenswerte finde ich in diesem Zusammenhang, daß in keiner der nahezu 350 Spachen der australischen Aborigines ein Wort oder ein Konzept für „Zeit“ zu finden ist – der Mensch lebt in der Gegenwart.
Im Ki-Swahili (Sprache-der-Swahili) wird die Frage nach der Uhrzeit viel einfacher ausgedrückt: „Saa ngapi?“ (Stunde welche) ist eine vollständige und geläufige Frage – kurz, bündig und alle notwendigen Informationen enthaltend oder aus dem Kontext heraus erschließbar gemacht..
Die Antworten auf diese Frage fallen ähnlich simpel aus: „saa tatu asubuhi“ (Stunde drei morgen) oder „saa kumi na moja jioni“ (Stunde zehn und eins abend). Die Bezeichnungen „Asubihi“ und „jioni“ können wie „usiku“ weggelassen werden, wenn die Zeitangabe von selbst klar ist. Die Zwischenräume werden in Halben und Viertelstunden abgegeben. Minuten gibt es auch, aber ich habe „dakika“ ncoh nie gehört. – Eigentlich auch überflüssig, denn wer verabredet sich schon um „saa mbili na dakika ishirini na tatu“ (Stunde zwei und minute zwanzig und drei), also um 8 Uhr 23? Hoppla – ich vergaß zu erwähnen, daß die Zeitrechnung um sechsUhr morgens (also bei Sonnenaufgang) beginnt. „Saa moja“ (Stunde eins) ist somit sieben Uhr morgens… Und noch etwas ist anders: die Woche beginnt angenehm ruhig mit dem Samstag „jumamosi“. „Juma“ beudeutet Woche und „mosi“ ist eine Entfremdung des „moja“, der Eins. Nach diesem Zählverfahren ist der Montag somit „jumatatu“ (Woche-drei), also der dritte Tag der Woche.
Die Monate sind wie viele andere Wörter für Dinge, die bis zum Eintreffen der Wazungu unbekannt waren, aus einer anderen Sprache übernommen: von „Januari“ über „Aprili“ und „Septemba“ bis hin zu „Desemba“. Desgleichen auch das selbsterklärende Wort „bia“ („pombe“ bezeichnet oft das einheimische Selbstgebraute).
Artiken und gramatikalische Formen für verschiedene Geschlechter sind im Kiswahili soweit ich weiß nicht bekannt. Was ist denn das auch für eine Sprache, die den Apfel als männliches und die Banane als weibliches Wesen bezeichnet, während das Mädchen geschlechtlos bleibt und das Schiff „die Europa“ als weiblich angesehen wird (doch wohl kaum wegen der kurvenreichen Form und der aufwendigen Takelage…)?
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Kiswahili ist eine silbenorientierte Sprache, in der alles mögliche in Silben zusammengefaßt wird: Personen, passiv, Zeit- und Ortsangaben, Zahlen und dergleichen. Das verkürzt einen Satz zwar ungemein, ist aber oft recht schwierig zu entwirren, wenn man hinter den Sinn eines Satz-Wortes kommen möchte. „Baba yuko?“ ist eingutes Beispiel. Während „baba“ (Vater, Papa“ noch recht einfach zu übersetzen ist, bereitet yu-ko (Personenangabe-Ortsangabe) schon mehr Schwierigkeiten: „er-sein-irgendwo-hier“. Übersetzt also „Ist Vater hier irgendwo?“. Einfacheres Beispiel: „Wapi choo?“ (wo Klo?) – wo ist die Toilette?
Kompliziert wird es erst, wenn die Hauptwörter zur Sprache kommen. Diese werden je nach Art in eine von acht Klassen gesteckt, die Vor- und Endsilben bestimmen. Diese Klassen umfassen jeweils Dinge einer Art – also Lebewesen, Pflanzen oder Fremdwörter (zu denen auch „kazi“ zählt – Arbeit…). Die Anzahl wird mit Vorsilben bestimmt: „m-tu“: der Mann; „wa-tu“: die Männer ebenso wie „m-zungu“ und „wa-zungu“. So kann mit dem Wortstamm „swahili“ folgendes entstehen: „m-swahili“ (der Suaheli), „wa-swahili“ (die Suaheli) oder gar „u-swahili“ (Vorsible aus der abstrakten Klasse – das Land / Volk der Suaheli) und „ki-swahili“ (Klasse der Dinge – die Art / Sprache der Suaheli).
Ein anderes Silbenbeispiel: „ninapigwa“ – „ni-na-pig-w-a“ (ich-jetzt-schlag-passiv-en): ich werde jetzt geschlagen…
Ebenso die Ortsangabe „-ni“, deren Sinn einmal wieder aus dem Zusammenhang erschlossen werden muß: „unatoka nyumbani“ (Du-jetzt-kommst Haus-aus) oder „unakwenda nyumbani“ (Du-jetzt-gehen Haus-zu) und „mama yupo shambani“ (Mutter sie-sich-befindet Feld-auf).
Und noch ein letztes zur sprachlich-technischen Seite: Da es im Kiswahili nur ein paar wenige Eigenschaftswörter gibt werden diese durch den Genitiv oder „-enyi“ (besitzen) ersetzt: „mtu mwenyi akili“ (ein-Mann er-besitzen Verstand) bezeichnet somit einen verständigen Mann. „Kuna basi kwenda Moshi?“ (es-gibt bus des-Gehens Moshi?) ist die Frage, ob es einen Bus gibt, der nach Moshi fährt.
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Stellt Euch einen Tourist der Marke Kowalski vor: mit Shorts, Sonnebrille, Safarihut, Reiseführer und Kamera beszückt kommt er nach Ostafrika, um hier einen Kurzurlaub zu verbringen. Auf seiner Tour begegnet er einem Kenianer, der ihn mit „Give me money“ begrüßt. Kowalski (kiswahiliunkundig) betrachtet diese Forderung als unhöflich und den Kenianer als unverschämt. Kein Wunder wenn man bedenkt, dass bei uns Fragen und Forderungen nach „Geld“ immer dezent umschrieben oder verpackt werden: die „finanziellen Mittel“, mit denen man „Rechnungen begleicht“ oder „der Zahlungspflicht nachkommt“. Anstelle „mit der Bitte, das Geld zu überweisen“ heißt es da: „die ausstehenden Zahlungen zu erledigen“. Anders im Kiswahili, wo die Bitte „nipe shillingi“ (gib-mir Geld) überhaupt nichts forderndes an sich hat und wo das „hapana“ (nein) im Gegenzug auch nicht unhöflich ist. Hinzu kommt, daß die zu überwindende Schwelle in Kenia meiner Ansicht nach geringer ist. Während ich in meiner Kultur in der Regel nur dann eine Bitte ausspreche, wenn ich wirklich etwas erwarte, so scheint in Kenia vielmehr nach dem Prinzip „Fragen kostet ja nichts“ gelebt zu werden. Wenn jemand einer Bitte hier nicht entspricht ist das bei weitem nicht unhöflich oder enttäuschend, sondern einfach nur… in Ordnung.
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Kiswahili wird stark vom Passiv beherrscht. „Die Schere wurde auf den Tisch gelegt“ zeigt, daß irgendjemand etwas getan hat – ich habe damit anscheinend nichts zu tun (und entziehe mich sprachlich der Verantwortung). Im gleichen Stil werden Objekte personifiziert: „ein Loch wollte in diese Hose kommen“ (Zitat Bernhard Grimm) gibt dem Loch die Schuld, das die Hose zerrissen hat, jedoch nicht dem Baum oder gar mir selbst…
Schuldig ist stets der nicht anwesende Dritte – und wenn es keinen Dritten gibt, dann tut es notfalls auch ein personifiziertes Objekt. Vor diesem Hintergrund versteht man auch, warum vom CITC keine gebatikten Stoffe, sondern nur genähte Kleidung verkauft wird. Wenn ein Käufer mit dem Stoff zu einem Schneider gehen würde, der zwar günstiger ist, aber einen unpassenden Schnitt anfertigt, so würde dieser dem CITC die Schuld für den schlechten Soff und damit für das schlecht sitzende Kleid geben.
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Doch die Sprache hält auch einige lustige Überraschungen bereit: so heißt „niina“ etwa so viel wie „ich bin“, „anika“ ist der Verbstamm für „zum-trocknen-aufhängen“ und „jenga“ heißt „bauen“ (passend zu dem Geschicklichkeitsspiel).
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„Mzungu“ – der Weiße, der Europäer. Doch woher kommt das Wort? Nach einiger Suche stieß ich auf „kuzunguka“, was so viel heißt wie „herumstreichen“, „herumziehen“ und „Zeit verschwenden“. Es ist also nicht die weiße Haut, die uns hier unseren Namen gibt, sondern das, was wir in erster Linie machen: „zuguka, zunguka…“
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Kwa herini ya kudana na tafadhali wasalimie marafiki njumbani (mit/von/für/bei/nach/wegen Glück bis wir-sehen-uns und bitte Ihr-grüßen-Befehlsform-Mehrzahl(Personen)-Freund Haus-in) alles klar?